Christina Löw – Im Licht Des Herbstmondes

In »Das Lied des Herbstmondes« betrachtet Christina Löw die düstere Seite von Jorinde & Joringel und erzählt in einer modernen Fabel über das Wesen der Magie, wie die Hexe des Grimm’schen Märchens entstand.



Klappentext:


"Die Macht der Musik

Der Ruf der Magie

Die Eulen in der Nacht


Oma Thea soll eine Wicca gewesen sein?

Carolin ist mehr als skeptisch, als sie an ihrem 16. Geburtstag eine Nachricht von ihrer verstorbenen Großmutter erhält. Neugierig ist sie trotzdem. Zwischen Klassenarbeiten und Musical-Proben, Geistervögeln und verwirrenden Visionen macht sie sich auf die Suche nach ihrem magischen Erbe. Allerdings dürfen ihre Eltern nichts davon erfahren – strikte Anweisung ihrer Oma.


Was als magisches Abenteuer beginnt, führt Carolin bald auf dunkle Pfade, und schließlich muss sie sich entscheiden: Was ist ihr die neu gewonnene Macht wert?"



Das Lied des Herbstmondes“ von Christina Löw ist die Adaption zu dem bekannten Klassiker 
'Jorinde & Joringel' – zumindest ein Teil davon.
Denn dieser Roman erscheint in der tiefsinnigen Novellen-Reihe „Licht und Schatten“  der Märchenspinnerei, bei der zwei Geschichten einmal die ‚gute‘ und einmal die ‚böse‘ Seite eines Märchens betrachten.

Wir durften Christina Löw ein paar Fragen stellen  ...



A.: Liebe Christina, heute soll es um Deinen neuen Roman aus der Märchenspinnerei gehen.


C.: Schön, dass ich heute mit „Das Lied des Herbstmondes“ bei euch zu Besuch sein darf. 😊


A.: Wie ist der Titel entstanden & was hat es mit der Musik auf sich?


C.: Ein bisschen zum Hintergrund des Titels habe ich ja schon im Beitrag zur Veröffentlichung auf der Website der Märchenspinnerei erzählt, aber natürlich gibt es da durchaus noch mehr zu berichten:


Der Titel an sich ist – einmal mehr – über längere Wochen und mit diversen hirnschmalzraubenden Brainstorming-Sessions entstanden. Gerade für Romantitel brauche ich immer ewig. Bei Kurzgeschichten wird es dann oft einfach der Arbeitstitel, weil die Zeit knapp wird. Aber ich schweife ab. :-D

Julia Maar (die Autorin des anderen Buches unseres Adaptionspaares) und ich hatten uns schon früh überlegt, dass wir gerne Titel hätten, die irgendwie zusammenpassen. In der Reihe „Licht und Schatten“, zu der auch unsere Romane gehören, gibt es z.B. schon „Die Tränen der Sidhe“ und „Das Herz der Sidhe“, die zusammengehören, oder auch das Novellenpaar „Ein Funke Magie“ und „Ein Kind der Magie“. Also haben wir überlegt. Und überlegt.

Schlussendlich haben wir uns für einen anderen Ansatz entschieden und anstatt die Gemeinsamkeiten unserer Bücher in die Titel zu packen, haben wir die Unterschiede genommen. Bei mir erklingt ein besonderes Lied, bei Julia dagegen verstummt eines. Also bekam ich das Lied in den Titel und sie die Stille. (Was in gewisser Weise auch die Frage nach der Musik beantworten dürfte.)

Als eine Jahreszeit, die in beiden Büchern durchaus eine Rolle spielt, kristallisierte sich der Herbst heraus – was dann unser verbindendes Element im Titel wurde. Und dann wiederum ergänzt durch je ein individuelles wichtiges Element: bei mir der Mond, bei Julia eine besondere Blume.


A.: Worauf muss man als Autorin achten, wenn man eine bekannte Geschichte neu interpretiert? Was war für Dich hier das Schwierigste?


C.: Bei der Adaption einer bekannten Geschichte wünschen sich die Lesenden oft, dass sie die Ausgangsgeschichte wiedererkennen. Allerdings soll es natürlich nicht einfach dieselbe sein. Es gilt also, die Gratwanderung zwischen dem Bekannten und dem Neuen zu finden.


Bei „Das Lied des Herbstmondes“ war für mich die Herausforderung, dass ich im Prinzip ja nicht das Originalmärchen selbst – also Jorinde & Joringel – adaptiere, sondern vielmehr eine mögliche (moderne) Vorgeschichte spinne. Das macht das Ganze zugleich einfacher und schwieriger, und beide Male aus dem Grund, dass es weniger Bekanntes gibt, worauf ich aufbauen kann und muss. Also habe ich die Freiheit genossen und mich andererseits bemüht, immer wieder Anspielungen auf das Originalmärchen einzubauen, Elemente, die sich wiedererkennen lassen.

Ob mir das gelungen ist, werde ich dann wohl in Bälde von den Lesenden erfahren …


A.: War es für Dich leicht, Carolin zu begleiten? Sind ihre Entscheidungen, jene, die Du auch gewählt hättest?


C.: Puh, meinst du, ob ich ihre Entscheidungen auch getroffen hätte? Oder eher, ob sie gemacht hat, was ich mir für die Geschichte überlegt hatte?


Bei beiden Fragen ist die Antwort ein klares Jein bis Nein. :-D

Denn zwar gibt es einige Situationen, in denen ich vermutlich zumindest ähnlich gehandelt bzw. entschieden hätte, aber im Großen und Ganzen hätte ich gerade bei den wichtigen Punkten der Geschichte doch nicht unbedingt dieselben Entscheidungen wie sie getroffen.

Gerade in der ersten Fassung des Manuskripts sind mir so einige Figuren auf der Nase herumgetanzt … und auch beim Überarbeiten und Neuschreiben waren sie (Carolin eingeschlossen) an einigen Stellen anderer Meinung als ich, was die Handlung betraf. Es gab z.B. so einige Szenen, die plötzlich deutlich kürzer erzählt waren, als ich gedacht hatte, und andere, die auf einmal wuchsen und wuchsen, weil die Figuren mehr machen oder sagen wollten, als ich an der Stelle geplant hatte.


Allerdings bin ich etwas Kummer in der Richtung inzwischen von meinen Figuren gewohnt. Und es ist ja auch spannend, wohin sie einen so führen können … nur wenn eine Deadline drängt, ist das eher unpraktisch.


A.: In der Reihe „Licht und Schatten“ geht es darum, zwei Seiten einer Geschichte zu beleuchten. Wieso hast Du Dich für die dunkle Seite entschieden?


C.: Die kurze Antwort wäre hier, dass Julia Maar sehr schnell sagte, dass sie sich die düstere Seite so gar nicht vorstellen kann und lieber die Liebesgeschichte übernehmen würde. Ich wiederum habe ziemlich bald nach dem ersten Ideensammeln Plotbunnys für x düstere Geschichten und hatte zugleich weniger Lust auf die Liebesgeschichte … Man könnte sagen, es hat sich bei uns zweien ganz gut gefügt. 😊


A.: Die bösen Märchenfiguren werden nie hinterfragt, wären Dir als Kind solche Hintergründe wichtig gewesen?


C.: Ich hätte es auf jeden Fall interessant gefunden, denn ich hätte die stereotypen Bösen des Märchens gerne verstanden. Und ja, auch schon als Kind. Es fiel mir oft schwer, nachzuvollziehen, wieso sie so gehandelt haben und offenbar keinen anderen Weg sahen. Denn das sie das einfach nur taten, weil sie eben ‚böse‘ waren, war und ist für mich keine ausreichende Erklärung.


A.: Heute ist alles voll von neuen Märchen oder Adaptionen, verschiedenen Blickwinkeln auf Bekanntes — was hebt Deine, oder eure, Interpretationen von anderen ab?


C.: Generell schreibt sich die Märchenspinnerei ja auf die schreibenden Fahnen, dass auch schwierige Themen beleuchtet werden. Dass wir Fragen stellen, Aspekte des menschlichen Lebens behandeln, die im Mainstream deutlich weniger auftauchen. Das ist auch bei meinen Geschichten so, zu unterschiedlichen Teilen.


A.: Früher geliebt, heute oft kritisch bedacht: Denkst Du, dass die alten Märchen - & Disneyfilme den Kindern früher sowie heute ein falsches, evtl. gar feindliches Bild vermitteln?


C.: Puh, das ist eine schwierige Frage. Ich denke, das hängt viel von der Vermittlung der jeweiligen Geschichten ab. Also, ob z.B. mit den Kindern darüber gesprochen wird, was sie gehört, gelesen oder gesehen haben, ob ein Austausch darüber entsteht. Und auch allgemein davon, wie reflektiert die jeweiligen Kinder (schon) sind. Richtig fundiert kann ich diese Frage allerdings nicht beantworten, fürchte ich, dafür stecke ich nicht genug im Thema drin.


A.: Wieso habt ihr euch für Jorinde & Joringel entschieden?


In gewisser Weise hat das Märchen uns gefunden – das haben wir z.B. auch im Coverreval zu „Das Lied des Herbstmondes“ näher ausgeführt. Schlussendlich haben wir es genommen, weil es ein Märchen war, zu dem wir beide noch nicht unendlich viele Adaptionen kennen, wir aber recht schnell Ideen für unsere Adaptionen hatten.


A.: Wie lief die Zusammenarbeit mit Julia Maar? 


C.: Am Anfang haben Julia und ich uns recht oft über unsere Ideen ausgetauscht und gemeinsam überlegt, wie wir das Märchen ‚aufteilen‘, wie wir die Geschichten miteinander verbinden können, aber sie doch eigenständig bleiben. Dann haben wir allein an unseren jeweiligen Ideen weitergearbeitet uns aber weiter ausgetauscht – beim Plotten, beim Schreiben und erst recht beim Überarbeiten. Denn eine größere Änderung bei einer der Geschichten hatte auch schnell Auswirkungen (zumindest im Kleinen) auf die andere.


A.: Wird es in euren Romanen Parallelen geben?


C.: Es gibt einige Elemente (und auch ausgewählte Figuren) aus meinem Buch, die auch später bei Julia auftauchen. Denn in gewisser Weise erzähle ich nicht nur eine mögliche (moderne) Vorgeschichte zum Märchen, sondern auch zu ihrer Geschichte bzw. zu einer Figur ihrer Geschichte. Allerdings haben wir einen Zeitraum von 16 Jahren zwischen unseren Büchern verstreichen lassen, damit es doch etwas mehr Abstand gibt – und mehr Freiheit in der individuellen Gestaltung für uns beide.


A.: Gibt es einen Bösewicht, den Du gerne mal näher beleuchten würdest?


C.: Aktuell habe ich keinen besonderen Bösewicht für eine neue Adaption ins Auge gefasst, fürchte ich. Zwar habe ich noch einige Ideen, auch für Märchenadaptionen, aber gerade nicht einen Bösewicht im Sinn, den ich gern ins Zentrum rücken würde. (Auch wenn natürlich welche in den Geschichten auftauchen, sie sind allerdings nicht der Fokus.)


A.: Welches war Deine liebste Geschichte in der Kindheit?


C.: Als Kind hatte ich gar nicht das eine Märchen, das mir das liebste war. Eher mochte ich allgemein Geschichten, in denen es eine Heldin gab, anstatt des klassischen Helden, der die Jungfrau rettet.


A.: Ein Satz, mit dem Du „Das Lied des Herbstmondes“ beschreiben würdest ...


C.: Ich könnte jetzt sagen: „Das ist Autor*innenquälerei“ und trotzig wegstapfen, aber ich versuche mal mein Glück …

„Das Lied des Herbstmondes“ schaut sich die düstere Seite des Märchens „Jorinde und Joringel“ genauer an und erzählt in einer möglichen (modernen) Vorgeschichte, wie die Hexe/Zauberin des Märchens entstand.


A.: Welche Botschaft soll daraus hervorgehen?


C.: Hm, wenn ich das mehr als andeutungsweise verrate, spoilere ich doch einiges. :-D

Deshalb eher ein Angebot: Ich unterhalte mich gerne mit allen, die das Buch schon gelesen haben, über die individuelle Botschaft, die diejenigen daraus mitgenommen haben. 😊


A.: Welches Märchen wird als Nächstes ummodeliert?


C.: Als Roman kann ich das noch gar nicht sagen. Denn ich wandere mit dem nächsten größeren Projekt tatsächlich für den Moment aus den märchenhaften Gefilden aus … Es gibt aber für die fernere Zukunft durchaus noch weitere Ideen für Märchenadaptionen in Romanlänge.


Allerdings adaptiere ich gerade zwei Märchen für Kurzgeschichten: Zum einen wird es eine etwas andere Version von „Blaubart“ geben. Zum anderen ist eine kurze Adaption des japanischen Märchens „Der Junge, der Katzen malte“, geplant.


Christina Löw & ihr wunderschöner Roman.
Christina Löw & ihr wunderschöner Roman.